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Freie Waldorfschulen

Allgemeines

Freie Waldorfschulen, vielfach auch: Rudolf-Steiner-Schulen, unterrichten nach den Grundsätzen der von Rudolf Steiner (1861-1925) begründeten Waldorfpädagogik. Diese ist international verbreitet. Nach Angaben aus dem Jahr 2009 existieren weltweit 997 Waldorfschulen, 684 davon in Europa. Die meisten von ihnen befinden sich in Deutschland (213), gefolgt von den Vereinigte Staaten/USA (130) und den Niederlanden (92) - selbst in China gibt es eine Waldorfschule. In Österreich gibt es im gleichen Jahr 15 Waldorfschulen und in der Schweiz 35.
Quelle: www.waldorfschule.info. (8. Juli 09)

Exkurs: Bund der freien Waldorfschulen e.V.

Zielsetzung und pädagogische Organisation

Waldorfschulen haben das Ziel, jedem Menschen eine umfassende Schulbildung vom 7. bis möglichst zum 18. Lebensjahr zu ermöglichen, unabhängig von seinen intellektuellen Fähigkeiten und Begabungen. Er soll in dieser Zeit Selbst- und Welterfahrung sammeln, indem er sich praktisch und theoretisch mit Erscheinungen und Grundlagen unserer Kultur und Zivilisation auseinandersetzt. Die Waldorfschule muss daher einen Lebens- und Lernraum bieten, der bei der Suche nach einem Weg zu sich selbst und in die Welt hilft sowie die leibliche und seelische Gesundheit fördert. Dies wird ermöglicht, indem Intellektuelles, Künstlerisches, Praktisches, Soziales in ausgewogenem Verhältnis altersgemäß angeregt wird. Die vielfältigen, aufeinander abgestimmten Unterrichtsfächer können so - jedes in spezifischer Weise - dazu beitragen, dass die Schüler sich zu frei handelnden Menschen entwickeln.
Vgl.: Leitbild der Freien Waldorfschule Karlsruhe

Das hat natürlich Auswirkungen auf das was Schule tut und wie sie sich organisiert. Waldorfschulen: Es sind keine Schulen, die ihre Aufgabe darin sehen, vornehmlich Wissen zu vermitteln und Schüler nach Leistungsgesichtspunkten zu bewerten und auszulesen. Demzufolge spielt der künstlerisch-praktische-Unterricht eine wichtige Rolle. So lernen z.B. schon in der ersten Klasse alle Schüler stricken und flöten. In der Schule sind kleine Präsentationen mit mehreren Klassen ganz selbstverständlich Bestandteil des Unterrichtsalltages: Es wird von jeweils einer Klasse ein Gedicht oder eine Sequenz aus dem kleinen oder großen Einmaleins aufgesagt. Regelmäßig geben Klassen Einblick in ihren Unterricht in schulinternen Monatsfeiern oder auch in seltenern öffentlichen Monatsfeiern. Dazu kommt die Aufführung von 'Klassenspielen' - Theaterstücken, die von allen Kindern einer Klasse einstudiert und mehrmals (schulintern, öffentlich - teilweise auch außerhalb der Schule) aufgeführt werden. Oft können auch Klassenorchester gebildet werden (Geigen, Chelli), in denen jedes Kind der Klasse ein Instrument spielt.

Diese Andersartigkeit ruft natürlich auch Kritik auf den Plan. Vornehmlich nach dem Motto: Birnen sind die schlechteren Äpfel - das belegen alle Vergleiche, die ausschließlich Apfelmerkmale zum Maßstab haben.

Geschichte

Bis 1933

Schon zwischen 1906 und 1911 hatte Steiner mehrer Vorträge über Erziehung und Schulfragen gehalten und 1907 die Schrift: Die Erziehung des Menschen vom Gesichtspunkte der Geisteswissenschaft veröffentlicht:
Der vom Gedanken der sozialen Dreigliederung beeindruckte Inhaber der der Zigarettenfabrik Waldorf Astoria und auf Anregung seiner Arbeiter bat er Steiner, deren Kinder pädagogisch zu betreuen. Steiner übernahm diese Aufgabe. Er wählte die ersten Lehrer aus und bildete sie für ihre Aufgabe aus. Bis zu seinem Tode 1925 war er Berater des Kollegiums.

Exkurs: Soziale Dreigliederung

Ausführliche Darstellungen:
Weitere Schulgründungen folgten:

Bis 1945

Waldorfschulen im Nationalsozialismus

In der Zeit von 1933 - 1945 nach der nationalsozialistischen Machtergreifung brach für die bis dahin bestehenden acht Waldorfschulen (Bresslau, Dresden, Essen, Hamburg Altona, Hamburg Wandsbeck, Hannover, Kassel, und Stuttgart) eine Zeit der Prüfung an. Es standen auf der einen Seite das Ziel eines "freien Jugendlebens, das im spontanen Erleben und Gestalten die Motivationsbasis für das Lernen legt, keineswegs einen Antiintellektualismus - wohl aber eine Position, die eine einseitige Intellektualisierung durch deren Einbettung in die zugehörige Lebensbereiche überwinden will." (Röhrs, 1998, S. 66)

Auf der anderen Seite die gegensätzliche faschistische Position. "Ich will keine intellektuelle Erziehung. Mit Wissen verderbe ich mir die Jugend" (Rauschnig, Hans (1940): Gespräche mit Hitler, Zürich, S. 237; zitiert nach Röhrs, H. (1998) : Reformpädagogik und innere Bildungsreform, Weinheim, S. 66)

Kernbereiche der Reformpädagogik wie z.B. musische Bildung, Jugendbewegung, Arbeitschule, Erlebnispädagogik, werden von der NS_Pädagogik totgeschwiegen. (Vgl. Röhrs, 1998, S. 69) "Der gravierende Unterschied bestand darin, dass der Reformpädagogik die Bildung der Individualität das wichtigste Ziel war, dem auch die Gemeinschaft, deren Glied und Träger sie ist zu dienen hat, während für den Nationalsozialismus die (Volks-)Gemeinschaft einen ideologischen Selbstzweck bedeutete, dem alles, auch die Individualität, aufzuopfern war.(Röhrs, 1998, S. 50)

Röhrs stellt aber auch klar heraus, dass die Zeit von 1933 - 1935 eine Zeit war, in der "vielerorts die Vorstellung vorherrschte, dass die eigenen Ziele, wenn auch mit taktisch variablen Konzessionen, weiter maßgebend bleiben könnten." (Röhrs, 1998, S. 57) Es war - so zumindest sieht es Röhrs - der Balanceakt zwischen Tarnen und Angleichung.

Dieser Balanceakt wurde möglich, weil sich der Nationalsozialismus nicht monolitisch verhielt. Regional gab es in der fraglichen Zeit auch Dienststellen, die auf Grund von persönlichen Einstellungen die Vorstellungen der Nationalsozialisten nicht mit dem gewünschten Nachdruck vertraten. Selbst in der Spitze der NS-Hierarchie gab es 'Sympatisanten'. Rudolf Hess hatte Bekannte an der Stuttgarter Waldorfschule. Über diese Verbindung konnte z.B. zunächst die verfügte Aufnahmesperre und auch ein Referentenentwurf zum Abbau sämtlicher Waldorfschulen zeitlich verzögert werden.

Die Leiterin der Dresdner Waldorfschule, Elisabeth Klein, gewann ohne nennenswerten Rückhalt im Kollegium und der übrigen Waldorfschulen weitere Unterstützung bei Alfred Leitgen aus dem Stab des Stellvertreters des Führers Rudolf Hess. Es gelang ihr durch das 'Überleben' der Dresdner Waldorfschule bis 1941 zu sichern. Einerseits war die Schule die letzte 'Fluchtburg' und steigerte ihre Schülerzahl auf 400, andererseits war dieser 'Anpassungskurs' E. Kleins wohl eines der dunkelsten Kapitel in der Geschichte der Waldorfschulen.

Auf ein Kuriosum macht Mattke aufmerksam (Mattke, Hans-Joachim (Hrsg.)(1994); Waldorfschule Weltweit. 75 Jahre Freie Waldorfschule Uhlandshöhe. Stuttgart): während Den Haag ebenfalls 1941 von der Gestapo geschlossen wird, schlüpfen die kleinen niederländischen Schulen Zeist und Amsterdam durchs Netz: sie werden übersehen (!) und können unbehelligt weiterarbeiten.

Der Rückschluss aus dem Verhalten damaliger Waldorfpädagogen auf eine Nähe der Waldorfpädagogik zum Nationalsozialismus aus heutiger Sicht ist unlauter bis böswillig. Damit soll nicht die vergeblichen Versuch der Anbiederung entschuldigt werden, es muss aber doch klar getrennt werden, zwischen der 'gesuchten Nähe' und tatsächlicher Übereinstimmung zwischen Nationalsozialistischer Pädagogik und Waldorfpädagogik. Der Beleg für diese tatsächliche Nähe ist bis heute nicht erbracht.

Eine ausführliche Übersicht zu den Schulschließungen findet sich auf der Seite von Waldorf.net
Ein persönliches Zeugnis der Waldorflehrerin Elisabeth Fischer-Roy an der Waldorschule Hamburg Altona: Die Selbstauflösung der ersten Altonaer Waldorfschule Ostern 1938
Ab 1945

1945 kam es zu einer Reihe von Wieder- und Neugründungen: Engelberg, Hamburg/Wandsbek, Hannover/Maschsee, Marburg, Stuttgart/Uhlandshöhe und Tübingen. Es folgen: Im der Folge der 68-Jahre kommt es zu einer starken Zunahme von Waldorfschulgründungen. Die Unzufriedenheit der Eltern mit dem Regelschulsystem schlägt sich nieder.