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Jersey17
Grünschnabel
Dabei seit: 25.05.2009
Beiträge: 1
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Kritik an offenem Unterricht |
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Hallo zusammen,
ich habe am kommenden Donnerstag meine mündliche Examensprüfung zum Thema "offener Unterricht".
Ein Punkt dabei ist auch die Kritik am offenen Unterricht.
Zwar habe ich schon einiges gesammelt, würde mich aber freuen nochteinmal Anregungen / Feedback zu bekommen:
Hier sind meine bisherigen Punkte:
Kritik an offenem Unterricht
• Das gesamte Konzept kann von nur einem einzigen Schüler so gestört werden, dass ein Arbeiten nicht mehr möglich ist, wenn dieser mit der Freiheit nicht umgehen kann.
• Unorganisierter offener Unterricht wirkt mitunter improvisiert und willkürlich ’ Schüler verlieren den Respekt vor dem Lehrer (Lehrer kann dem entgegenwirken)
• Sorge, dass Schüler im offenen Unterricht weniger Lernen als im geschlossenen und die Leistungen nicht überprüfbar sind
• Lehrerausbildung muss für erfolgreiches Durchführen verändert werden
• Zu große Klassen, offener Unterricht mit nahezu 30 Kindern scheint nicht umsetzbar
• Schule greift unter Umständen in das Persönlichkeitsrecht des Schülers ein
• Lernen findet ohne explizite Leitung durch den Lehrer statt ’ Lernen geschieht eher zufällig, ist ineffizient und unsystematisch
• Häufig kommt es zu einer Vermischung dadurch, dass Unterrichtsmethoden gewählt werden, die zwar als „offen“ gelten, aber durch die Durchführungsweise weniger offen sind.
Über Anregungen und Ergänzungen würde ich mich sehr freuen.
Viele Grüße
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25.05.2009 10:48 |
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Chris McFaz
Eroberer
Dabei seit: 22.09.2007
Beiträge: 56
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Hallo Jersey,
deine Prüfung ist zwar schon vorbei, hoffentlich hast du sie gut hinter dich gebracht, aber ich wollte einige deiner Punkte nicht unkommentiert stehen lassen. Erst einmal dachte ich bei mir, dass du auf diesem Board wohl häufiger Verfechter als Kritiker des OU finden wirst, vielleicht das ein Grund, warum noch keiner geantwortet hat. So war es auch bei mir so, dass ich deinen Punkten 1-5 eher Dinge entgegenzusetzen hatte, als sie zu erweitern. Zu 6 habe ich gedacht: Ja, tut sie. Und bei 7 konnte ich mich nicht zurückhalten, etwas dazu zu schreiben, und zwar: Eigenveranwortliches Lernen (das ist übrigens das Einzige das es gibt, alles andere wird nur so genannt) ist nie zufällig, ineffizient und unsystematisch. Das kann die Hirnforschung zeigen. Das Setting des OU kann so sein, dass das Lernen erschwert wird, dann lernen die Kinder eben andere Dinge, wie man Unsinn macht, oder so, aber auch das nicht zufällig, ineffizient und unsysytematisch. Das Hirn funktioniert dafür zu logisch.
Bei Punkt 8 mag ich dir wieder Recht geben.
Um noch etwas eigenes dazu zu leisten, würde ich noch die angesprochenen Rahmenbedingungen aufnehmen. Gerade der Gedanke des Raumes als 3. Erzieher (Reggio-Pädagogik) ist ein sehr lohnenswerter, auch für den OU. Ärmlich, lieblos und einfach nur schlecht gestaltete Räume vermitteln kein Gefühl des Aufgehoben-seins, wie es für erfolgreiches Lernen unabdingbar ist. Die Umgebung muss auch genügend Anregungen bieten, sich mit ihr auseinanderzusetzen. Kinder lernen alleine, aber nicht von alleine, sagt Prof. Gerd Schäfer und ich denke er hat Recht.
Da du die Lehrer(ausbildung) angesprochen hast, möchte ich auch noch in diese Kerbe einschlagen. Ich denke, dass mit dem heutigen Personal an öffentlichen Schulen kein flächendeckender OU zu machen ist. Zu viel Angst, Misstrauen und Unwissenheit sind vorhanden. Eine neue, andere Lehrerausbildung würde Geld kosten und von den zukünftigen Lehrern viel Arbeit an sich selber verlangen. Viel mehr, als sie momentan noch in ihre Fachdidaktiken stecken. Ob dazu der politische und der Lehrerwille vorhanden ist, wage ich zu bezweifeln.
My mustard
LG
Christian
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10.06.2009 14:29 |
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Waltraud
Grünschnabel
Dabei seit: 11.06.2009
Beiträge: 3
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Hallo!
Ich glaube nicht unbedingt, dass es wirklich am Lehrerwillen scheitert. Ein Großteil der Lehrer, die ich kenne, möchte nur das Beste für seine Schüler.
Mir geht es eher so, dass mir Vorbilder fehlen. Ich selbst versuche, meinen Unterricht so offen wie möglich zu gestalten und stoße dabei immer wieder auf neue Herausforderungen. Die Lösungsvorschläge, die dann meist von Kollegen kommen, gehen immer in Richtung mehr Bestimmung vom Lehrer. Und ich glaube, da geht es vielen Kollegen gleich.
Außerdem stehe ich selbst vor dem Problem, dass ich mir das meiste Wissen nicht in der Schule angeeignet habe, sondern selbst aus Büchern und Gesprächen mit anderen, also selbst sicher nicht die Optimalschule erlebt habe... Da mir das Lernen aber großen Spaß macht, möchte ich diese Freude an die Kinder weitergeben. Die Methoden dazu muss ich mir aber erst aneignen (auf der Pädak lernt man sie definitiv nicht...)
Dieser Beitrag wurde schon 1 mal editiert, zum letzten mal von Waltraud am 11.06.2009 10:40.
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11.06.2009 09:22 |
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Chris McFaz
Eroberer
Dabei seit: 22.09.2007
Beiträge: 56
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Hallo Waltraud,
so prägt eben das subjektive Erleben die Sicht der Dinge.
Zuerst einmal freue ich mich über deinen Willen zur Offenheit. In meiner Ausbildung bin ich ständig der Einstellung begegnet, LehrerIn sein heißt einen sicheren Job mit viel Ferien zu haben. Nicht viele haben den Beruf ergriffen, der Leidenschaft am Lernen wegen, geschweigedenn, weil sie für Kinder da sein wollten. Falko Peschel hat 500m von unserem Campus entfernt an einer freien Schule einen Vortrag gehalten, ich war als einziger Student da... Die Dozentenschaft weiß möglicherweise heute noch nichts mit ihm anzufangen.
Du schreibst, dass ein Großteil der Lehrer nur das Beste für ihre Schüler will. Das würde wahrscheinlich wirklich jede/r LehrerIn unterschreiben, nur wird das, was "das Beste" für die SchülerInnen ist von LehrerIn zu LehrerIn etwas ganz anderes sein und in der Vielzahl der Fälle einfach an den kindlichen Bedürfnissen vorbei gehen. Eine gute Allgemeinbildung und super Berufschancen gehören nämlich nicht dazu.
Was man aber in Rechnung stellen muss - das habe ich auch geschrieben - sind eben die Faktoren Angst und Unwissenheit. Die kommen nämlich aus der eigenen (Schul)sozialisation. Wir leben ja in einer super Gesellschaft der Angst unter anderem vor Arbeitsplatzverlust, da ist es ja nicht schwer, dem Irrglauben aufzusitzen, man bräuchte nur einen guten Abschluss und schon wäre der gutbezahlte, sichere Job unter Dach und Fach.
So viel erst einmal, ich freu mich auf Nachricht.
Christian
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11.06.2009 12:24 |
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Juergen
Administrator
Dabei seit: 08.11.2003
Beiträge: 312
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Hi Waltraud,
was ist denn das 'Beste für die Schüler' - vor allem dann, wenn man sich die Erfolge des OU ansieht. Die Schüler sind nach 4 Jahren Grundschule dem Stoff weit voraus - nicht gemessen an einer anderen Klasse, sondern an einer bundesweiten Stichprobe.
Ich denke man muss da mal schon sehr genau hinsehen, was denn das 'Beste' ist.
Richtig ist natürlich, daß die Erfahrung frischgebackener Lehrer - von der eigenen Schulzeit an über die Uni, das Referandariat und dann die eigene SchulekollegInnen in der Regel immer die ist: Sie sind diejenigen, die planen und verantworten was im Unterricht läuft, bzw. laufen soll. Daran werden sie gemessen.
Und es gibt kaum Platz in der Ausbildung einmal darüber nachzudenken, wie man denn offenen Unterricht macht, wie man reagiert.
Aber das Beispiel Peschel zeigt ja, daß es an der ganz normalen Regelschule geht.
Und wenn ich die 'Kritikpunkte ansehe, die Jersy17 vorgetragen hat:
- das gesamte Konzept kann von nur einem einzigen Schüler so gestört werden, dass ein Arbeiten nicht mehr möglich ist, wenn dieser mit der Freiheit nicht umgehen kann.
- Unorganisierter offener Unterricht wirkt mitunter improvisiert und willkürlich ’ Schüler verlieren den Respekt vor dem Lehrer (Lehrer kann dem entgegenwirken)
- Sorge, dass Schüler im offenen Unterricht weniger Lernen als im geschlossenen und die Leistungen nicht überprüfbar sind
- Lehrerausbildung muss für erfolgreiches Durchführen verändert werden
- Zu große Klassen, offener Unterricht mit nahezu 30 Kindern scheint nicht umsetzbar
- Schule greift unter Umständen in das Persönlichkeitsrecht des Schülers ein
- Lernen findet ohne explizite Leitung durch den Lehrer statt ’ Lernen geschieht eher zufällig, ist ineffizient und unsystematisch
- Häufig kommt es zu einer Vermischung dadurch, dass Unterrichtsmethoden gewählt werden, die zwar als „offen“ gelten, aber durch die Durchführungsweise weniger offen sind.
das ist das übliche Sammelsurium von Vorurteilen, die zwar Stand der Lehrerausbildung sind, aber nicht Stand der Wissenschaft.
Ersetze doch mal offen durch geschlossen - dann hast Du ziemlich genau das, was die Kritik an der Regelschule heute ist. (Bis auf den letzten Punkt)
Liebe Grüße
Jürgen
__________________ Jürgen Göndör
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http://paed.com
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16.06.2009 20:50 |
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