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Geschrieben von Chris McFaz am 05.03.2009 um 16:52:

Mehr Mathematik

Hallo Freunde des Offenen Unterrichts,

folgende Frage schwirrt mir zur Zeit im Kopf herum:
Wie kann ich die Schulumgebung der Kinder mathematisch attraktiver machen?
Wir haben Einiges, was nach dem Prinzip des gleichen Materials in großer Menge funktioniert. Musterbildung ist deshalb z.B. immer wieder ein Thema. Mir geht es aber mehr um die Schulmathematik und vor allem um Arithmetik. Nicht, dass ich dieses Thema für wichtiger als andere halte, aber meine Frage ist Teil des Spagats zwischen Offenheit und dem, was weiterführende Schulen den Kindern später abverlangen. Ich bin mir schon bewusst, dass die Kinder von allen Schulen mit völlig unterschiedlichen Vorausetzungen ankommen und trotzdem treibt mich die Frage um. Bitte also keine bildungspolitischen oder pädagogischen Antworten.
Was ich auch ausschließen will sind selbstreferentielle Beschäftigungen mit Mathematik, z.B. etwa so ziemlich alles was aus der Montessori-Ecke kommt. Also kein Angebot oder so, heute mal schriftliche Subtraktion zu lernen.
Ich suche Anwendungsmöglichkeiten für arithmetische Verfahren, die den Kindern einleuchten, sie einladen, sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Kochen machen wir z.B. schon, aber das geht halt nicht so oft. Ich will es auch nicht von mir als Lernbegleiter abhängig wissen.
Bin gespannt auf eure Antworten!
Viele Grüße

Christian


Geschrieben von Juergen am 06.03.2009 um 14:27:

Hi Christian,

ich weiß von anderen 'Offenen Schulen' das dort mit der 'Phenomena' experimentiert wird.
Die Phenomena war eine Wanderausstellung aus Zürich, die Großmodelle erstellte, die physikalische nicht nur anschaulich darstellte, sondern begehbar machte. Magnetische Felder wurden z.B. mit einem Magneten, der etwa 1 m hoch war sichtbar gemacht, in dem man auf seine Hände Eisenfeilspäne packte und in das Feld brachte. Es war nicht nur zu sehen, sondern auch zu spüren, wie sich diese Eisenfeilspäne ausrichteten. Das als nur eines von hunderten von Beispielen.
Das war schon vom Anschauen und Mitmachen der helle Wahnsinn - wurde aber noch getoppt, weil in Amerika gab es Werkstätten, die solche Versuche kreierten. Dort waren nicht nur Ingenieure sondern auch Schüler am Werk. Allerdings keine Grundschüler.
Um solche Versuche aufzubauen und sichtbar, erlebbar zu machen, braucht es natürlich Physik und Mathematik.
Solche Werkstätten scheint es auch in Deutschland zu geben - kenne ich aber nur aus dem Internet.

Eine Schule hat einen Laden eröffnet, der mit den Kindern geführt wird. Dort werden sinnvolle Frühstückssachen verkauft. Da gibt es natürlich auch vieles zu berechnen und zu kalkulieren.

Ich würde nicht so sehr auf die Attraktivität setzen - damit unterstützt Du mehr die Jagd nach dem Kick - sondern den Weg suchen, Projekte zu entwickeln, die mathematischen Aktivitäten erfordern und so in der Lebenswelt der Kinder tatsächlich vorkommen.

Rolf Robischon ging mit seinen Kids über den Markt: dort wurde gewogen, gemessen, bezählt und Preise berechnet.

Das gäbe auch eine Parallele zur Freinet-Pädagogik, in der die Klasse ja als Kooperative mit Haushaltsplan funktioniert. Die Kinder überlegen, wie sie für ihre Vorhaben Geld 'verdienen' können und verwalten ihre Kasse selbst: Kosten für Klassenkorrespondenz, Exkursionen. Also nicht nur Geld bei den Eltern einsammeln.

Zur Montessoriecke hätte ich keine Berührungsängste, wenn sie nicht die einzige Materialquelle darstellen, sondern wirkliche Projekte mit Mathematikbezug vorhanden sind und diese Materialien helfen, sich selbst schlauer zu machen.

Schließlich sind nicht alle Montessori-Materialien so platt, wie Du es beschreibst, z.B. das Perlenmaterial lädt zum Tauschen und Wechseln ein.

Liebe Grüße
Jürgen

__________________
Jürgen Göndör
service@paed.com
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Geschrieben von Chris McFaz am 10.03.2009 um 21:42:

Hallo Jürgen,

danke für deine Antwort. Vieles von dem, was du beschreibst machen wir bereits schon, so besitzt unser "Plenum" schon eine eigene Kasse. Vielleicht bin ich nur zu ungeduldig. Falkos Beschreibungen klingen an vielen Stellen auch so, dass die Kinder sehr schnell mit mathematischer Eigenprodution begannen. Ich muss aber in Rechnung stellen, dass er mit 1.Klässlern starten konnte, nicht nur mit Kindern, für die Mathematik bereits etwas ist, wo hinten was raus kommt.
Ich will abwarten und dann wieder in diesem Thread posten.
LG

Christian


Geschrieben von roggbiv am 04.06.2009 um 05:30:

Hallo Christian, hallo Jürgen,

dieses Thema" Mehr Mathematik" finde ich sehr spannend, da es auch mich ganz aktuell beschäftigt. Ich werde ab August eine 1. Klasse übernehmen.Letzte Woche hatten wir einen Schnuppernachmittag, bei dem es um Zahlen, Zählen und Rechnen ging.Zu Beginn habe ich wünsche notiert, die die Kinder für die Schulzeit haben. Ich war erstaunt. 11 von 14 Kindern gab das Lesen und Schreiben lernen an, zwei wollten, das wir in der Schule auch mal reiten und eines hat sich Freunde gewünscht. Von Rechnen lernen keine Spur.In der Auswertungsrunde gaben zwei sogar an, sie wollten und bräuchten das nicht zu können, das sie schließlich eine Rechner haben. So macht die Frage Christians für mehr Matehmatikanlässe für mich schon Sinn. Meine Erklärung dafür, dass in Kinderköpfen Mathematik als Fach und Lernanlass so wenig existiert ist, dass sie mit ihrer Alltagsmathematik relativ weit kommen. Viele können schon, die für sie überschaubaren Dinge zählen und rechnen, während Schrift noch ein verzauberter und für sie verschlüsselter Code ist- selbst wenn sie schon Buchstaben kennen. Der zweite Grund ist wohl der, dass Mathematik auch wenig mit dem Schulbeginn in der Gesellschaft kommuniziert wird. Omas und Opas sagen ja auch immer " In der Schule wirst du dann lesen und schreiben lernen".
In dem Sinne wird mich die Frage nach Mathematikanlässen noch weiter beschäftigen. Über weitere Ideen würde ich mich freuen.

liebe Grüße
Nicole


Geschrieben von Chris McFaz am 04.06.2009 um 16:29:

Mathematik

Hallo Nicole,

mir sind zweierlei Dinge eingefallen, als ich deinen Beitrag gelesen habe. Erstens merke ich in letzter Zeit immer mehr, dass für Kinder im Grundschulalter die Genauigkeit, die die Mathematik ihnen abverlangt noch nicht so wichtig ist. Ich merke es, wenn die Kinder etwas in der Werkstatt bauen. Es ist ihnen einfach nicht so wichtig, ob das jetzt genau passt, oder ob es eine Lücke gibt, selbst wenn du sie darauf hinweist. Gleichzeitig - und das ist zweitens - geschieht es doch gerade bei solchen Anlässen dann wieder, dass gemessen werden muss, weil es nicht anders geht, oder dass beim kochen gewogen, gemessen, gezählt wird. Dass das dann Mathematik ist, ist den Kindern eigentlich nie klar. Man muss sie erst darauf bringen, damit es ihnen einleuchtet. Mathematik ist als Begriff eben recht abstrakt, weshalb Kinder auch weniger genau eine Vorstellung davon haben, als vom Lesen und Schreiben.

Schöne Grüße

Christian


Geschrieben von roggbiv am 04.06.2009 um 18:45:

Hallo Christian,

drei Dinge sind zum Nachdenken geblieben- danke übrigens für deine Ideen-:

1. ich selbst bin auch nicht der Typ, der alles so genau nimmt. Beim Kuchen backen kann ich wohl so was wie Mengen abschätzen und Lücken können auch mal "kaschiert" werden. Wenn es jedoch drauf ankommen würde, könnte ich genau arbeiten. Eines muss und habe ich wohl gelernt, das Genaue oder besser die Mathematik. Denn ohne die geht auch das Abschätzen nicht. Bsp.:
Ich brauche 125 g Butter. Die kann ich aus einer 500g Dose Backbutter so pi mal Daumen mit dem Messer abteilen. Das setzt aber das Wissen über Zahlen und Halbieren, Vierteln voraus.

2. Meine Freundin ist Mathelehrerin und erfreut sich immer an der Zielgerichtetheit und Klarheit der Mathematik. Auch wenn ich sonst eher ein So- LA- la Typ bin, denke ich, sollte man den Kindern diese Klarheit oder Genauigkeit auch erklären.Es gibt eben Kontexte da spielt jeder Millimeter eine Rolle. Oder jeder Cent.

und da wäre ich schon bei 3.

Geld wäre wohl da so ein Lernanlass ( ist oben ja auch schon erwähnt) Trotzdem bleibt es für mich phantastsisch spannend wie die Kinder von Peschel mit so vielen Zahlen experimentiert und sich "hochgerechnet" haben. Ich bin neugierig wie meine Kleinen sich darauf einlassen werden.

Ich hoffe, meine Gedanken waren nicht ganz so chaotisch zu lesen, wie sie gerade in meinem Kopf sind.

lg Nicole


Geschrieben von Chris McFaz am 10.06.2009 um 12:45:

Hmmm...

Eigentlich dachte ich, ich hätte die Benachrichtigung bei Antwort an - leider nicht. Entschuldige meine Verspätung, Nicole.
Ja, es gibt immer wieder Menschen, die sich alleine an der SChönheit der Mathematik erfreuen. Das finde ich nachvollziehbar, ich schaffe es aber selber nicht, in diese Höhen aufzusteigen.
Was deine Gedanken zur Genauigkeit betrifft, so zeigt sich bei uns in der Schule immer wieder, dass die Kinder (woher auch immer) wirklich genau sein können, wenn es darauf ankommt. Manchmal muss man sie auf den Vorteil der Genauigkeit hinweisen, man kann sie aber auch ausprobieren lassen, dann geht es halt erst einmal schief. Ich versuche da einfach zu schauen, ob ein Kind wegen eines Misserfolgs möglicherweise lange Zeit nichts mehr mit der Materie zu tun haben möchte, dann würde ich eher was sagen.
Hmmm... jetzt sind meine Gedanken wohl auch ziemlich ungeordnet, aber ich freue mich über Nachricht.

LG

Christian


Geschrieben von Juergen am 10.07.2009 um 23:30:

Hi, das mit der Mathematik, die man benutzt ohne es mit ihr in Verbindung zu bringen erinnert mich an den Menschen, dem man erklärt was Prosa ist und er ganz verblüfft sagt: Oh, ich habe mein ganzes Leben bisher Prosa gesprochen.

Mir ist nicht ganz klar, warum man das immer explizit erklären muss.

Alle sprechen ihre 'Muttersprache' ohne jeden Gedanken daran, daß sie jetzt eine Sprache erlernen. Sie wollen sich verständigen.

Und in der Mathematik, sollte es da nicht auch so sein. Um sich verständlich zu machen, gibt es auch einen Weg, der mit Zahlen zu tun hat und der genau wie ein Satz eine bestimmte Logik hat, um sich verständlich zu machen. Sozusagen eine 'Fremdsprache' in Zahlen.

Warum sie nicht einfach benutzen, sprechen, damit hantieren ohne die große Erklärung?
Ich denke, wenn das in der Klasse im Leben der Kinder eine Rolle spielt, die Mathematik, dann gibt es auch Interesse dafür.

Peschel hat möglicherweise nicht mehr gemacht, als die Sache mit den Zahlen genauso selbstverständlich und wichtig zu nehmen, wie die mit den Buchstaben. Bei denen muß es auch genau sein, denn 'wrid' muss eben doch 'wird' geschrieben werden.

Ich halte es für eine fixe Idee, daß die Mathematik so 'besonders' in den Alltag gerückt werden muss. Möglicherweise deshalb, weil die Mathematik doch soooo wichtig ist.

Rechnen im Grundschulbereich und auch darüber hinaus - das ist meine Überzeugung nach der Lektüre Peschels - lernen die Kinder von selbst, genau wie schreiben und lesen.

Für den weiterführenden Bereich: warum sollten die Kinder nicht auch an Mathe interessiert sein? Oder anders gefragt: Warum sind sie an den Römern interessiert? Oder an Afrika, oder an der Physik? Da gibt es tolle Geschichten.

Statt den Kindern auf die 'Vorteile' der Genauigkeit zu verweisen, wäre es nicht besser, tolle Geschichten anzuregen, wie bei den Römern, wie bei den Philosophen (Sophies Welt).......

Da braucht es keine Überzeugungsarbeit!

Oder - wie seht ihr das?

Jürgen

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