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Reformpädagogische Schulen in Braunschweig

In Braunschweig werden erst recht spät weltliche Sammelschulen (ohne Religionsunterricht) gebildet. 1926 nehmen drei weltliche Schulen ihre Arbeit auf: 1931 nimmt die Feindseligkeit in Braunschweig gegen die weltlichen Schulen zu. Auf eine Pressekampagne folgt ein zweitägiger Schulstreik. 3000 Kinder streiken für Sammelschulen. Die Eltern werden polizeilich vorgeladen und zu (zusammen) über 8000 Hafttagen verurteilt. 27 'dessidentische' Lehrer werden entlassen. Das trifft den Kern der Lehrerschaft der weltlichen Schulen.

1932 werden die weltlichen Schulen aufgehoben. Dazu gibt es eine Pressekampagne, die das völlige Versagen der weltlichen Schulen 'belegen'.

Was was anders?

  1. Der Abschaffung unnötiger Autorät dienen u.a. Maßnahmen, wie der Wegfall der Klassenplätze (Sitzordnung nach Leistungsstand); teilweise werden auch die Ziffernzeugnisse durch verbale Beurteilungen ersetzt. Die Prügelstrafe wird offiziell abgeschafft und de facto zur seltenen Ausnahme.

  2. Gestaltung des Schulgebäudes und der Klassenräume:
    - Das erhöhte Katheder wird abgeschaft, die Klassenräume werden mit beweglichem Mobiliar für Gruppenarbeit ausgestattet. An Wandtafelfriesen über drei Wände sollen alle Kinder arbeiten können.
    - Die Klassenbibliothek - bisher verschlossen - wird frei zugänglich.
    - Flure und Räume werden mit Blumen und Bildern geschmückt, neue Vorhänge genäht.
    - Aquarien und Terrarien werden eingerichtet und in die Verantwortung der Klnder gegeben. Die Devise lautet: Vom 'Exerzierschuppen zur Wohn- und Werkstatt'. Und selbstverständlich gilt: Väter und Mütter malen, nähen, sägen und hämmern unermüdlich.

  3. Die Lehrmittelbestände werden durch audiovisuelle Medien ergänzt.
    (Projektionsapparate, ein Kinemitograph), ebenso finanziert von der Elternschaft wie ein Grotrian-Flügel, Grammophon und Radios. Dem naturwissenschaftlich-technischen Urterricht und dem gestaltenden Werken (für den Arbeitsunterricht gemäß Art. 148 RV) dient die Anschaffung von W.kroskopen, Hobel- und Werkbänken, Werkzeugen.

  4. Schuldruckerei
    Das wohl 'Wichtigste schultechnische Gerät an der weltlichen Schule Wolfenbüttel ist die Druckerei, mit der die Schulzeitschrift. Der Schulfreund. über Jahre (von Juli 1928 bis März 1931) erstellt wird. Diese Zeitschrift ist eine interessante Chronik von Schulleben und Unterricht an dieser Schule; sie enthält zahlreiche Schülertexte (vor allem freie Aufsätze), und dokumentiert auch die Außenseiterrolle der weltlichen Schule im Kleinbürgerstädtchen Wolfenbüttel. Das Setzen und Drucken selbst scheinen hier nicht die Schüler getan zu haben, also noch keine Freinet-Pädagogik; wohl aber sind sie an allen anderen Arbeitsgängen bis zum Verkauf beteligt.



  5. Quelle: Sandfuchs, Uwe: Die weltlichen Schulen im Freistaat Braunschweig: Schulpolitischer Zankapfel und Zentren der Schulreform, in: Amelung, U. u.a.: Die alte Schule überwinden, Frankfurt/M, 1993, S. 221 - 246