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Arbeitsschulen


Arbeitsschulen - G. Kerschensteiner: Arbeit als Handwerk - R. Seidel: Arbeit als Handwerk - O. Scheibner: Handarbeit als integrierender Unterricht - H. Gaudig: Freie geistige Schularbeit - P. Blonskij: Industriearbeitsschule - Henry-Ford-Gewerbeschule in Detroit - H. Parkhurst: Dalton-Loboraty-Plan - Slöjd

Arbeitsschule meint die Selbsttätigkeit der Lernenden im Lernen - in Gegensatz zur 'Alten Schule', die ja als Buch- und Paukschule rein rezeptives Lernen vorsah.
    "Das Kind sollte nicht mehr 'Objekt der Belehrung sein, sondern nurch eigene Arbeit zu Kenntnissen und Können gelangen, wobei nicht nur Gedächtnis und Verstand, sondern auch Phantasie, Gefühl und Wille, nicht nur Auge und Ohr, sondern auch die Hände nach Möglichkeit mitwirken." (zitiert nach Schwerdt, Ulrich (2013, Unterricht - Konzepte der Arbeitsschule, in: W. Keim, U. Schwerdt (2013) Handbuch der Deutschen Reformpädagoik, FfM, S. 966)
Der Begriff 'Arbeitsschule' war schon im ausgehenden 19.Jahrhundert in Gebrauch. Anders als in der Reformpädagigik war damit aber ein Schulfach gemeint, dass den "Verlust der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie" (S. 966) durch einen 'Handfertigkeitsunterricht' abwenden sollte. Die Einführung eines solchen Schulfaches scheiterte jedoch am Widerstand der Volksschullehrer. (S. 966)

Der Begriff 'Arbeitsschule' verband sich jedoch mit höchst unterschiedlichen 'bildungstheoretischen und gesellschaftspolitischen Vorstellungen' (S. 967)
    "Mit der Aufnahme des Arbeitsgedankens in die Pädagogik verbindet sich die Erwartung von pädagogischen wie von ökonomischen und politischen Effekten. Rationalisierung von Lern- und Lehrprozessen, Persönlichkeitsentfaltung und Selbstverwirklichung, Verbindung von Theorie und Praxis, Überwindung der Kluft zwischen Kopf- und Handarbeit, Zusammenführung von allgemeiner und beruflicher Bildung [...]." Aber auch "Sozialdisziplinierung, pädagogische Zurichtung für Wirtschaft und Markt und Projektionen ener 'neuen' aktiven, selbsttätigen, effektiven und flexiblen, durch das Wechselspiel von Arbeit und Bildungerziehbaren und sich selbst erziehenden Generation." (Uhlig, Christa (2013): Arbeit, in: Handbuch der Deutschen Reformpädagogik, S. 1011)
So wurde z.B. in den Industrieschulen zwar "Kinderarbeit mit elementarer Wissensvermittlung verbunden". (S. 1012) Dies diente "aber primär der quantitativen Ausdehnung billiger Lohnarbeit. [...] Bei aller historisch bedingter Unterschiedlichkeit der arbeitspädagogischen Theorien und Konzepte bewegten sie sich in ihren Zielerwartungen zwischen Wirtschaftlichkeit (Überwindung von Armut, wirtschaftliche Selbständigkeit, ökonomische Verwertbarkeit, Gemeinnützigkeit u.a.) und Persönlichkeitsformung (Arbeitsmoral, Fleiß, Selbständigkeit, Pflichtbewusstsein, Gemeinsinn, Flexibilität u.a.) und orientierten somit auf basale 'Tugenden' kapitalistischer Modernisierung." (S. 1012).

1881 wurde in Leipzig ein 'Zentralkomitee für Handfertigkeiten und Hausfleiß' gegründet. 1886 benannte sich dieses Komitee in den 'Deutschen Verein für Knabenhandarbeit und Werkunterricht' um. Auf dem Ersten internationalen Lehrerkongress in Le Havre (6.-10.9.1885) wurde die Einführung des Handfertigkeitsunterrichts in die Elementarschule als moderne Gegentendenz zur Buchschule und als erzieherische Alternative zum traditionellen Religionsunterricht vorgestellt. (S. 1015) Robert Seidel (1850-1933) verstand Arbeit 'als das unentbehrlichste und wichtigste Mittel der geistigen und physischen Bildung'. (S. 1017) Heinrich Schulz, der Vorsitzende deszentralen Bildungssausschusses der SPD schrieb: 'Arbeit sei die Grundlage der gesamten Kultur und Zivilisation. Er stellte sich eine Schule vor, in der eine Art ABC der Technik, der Gebrauch von Spaten, Hobel, Säge, Hammer, ... genauso selbstverständlich und gleichberechtigtwar wie das ABC des geistigen Wissens. (S. 1017) Die herbe Kritik formulierte Larl Kautsky (1854-1938): Weiß
    "etwa ein Kapitalistensöhnchen, das in der Schule täglich ein bis zwei Stunden mit der Ausübung verschiedener Handfertigkeiten spielt und daran Gefallen findet, auch [...] wie die Arbeit in einer Fabrik schmeckt? [...] Habe in der bürgerlichen Schule der Moralunterricht die Aufgabe, geduldige und folgsame Arbeiter heranzuziehen, so hat der Handfertigkeitsunterricht die Aufgabe, geschickte Arbeiter in Massen auf das Niveau herabzudrücken, auf dem heute der Preis der Arbeitskraft des ungeschickten Arbeiters steht." (Zitiert nach Christa Uhlig: Arbeit, S. 1018)